BEITRAGSSERIE MIT DER HOCHSCHULE NEU-ULM

So gewinnen und halten Sie Personal im Praxisteam


Autor: Professor Dr. Patrick Da-Cruz
Praxisbeauftragter Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen
Studiengangleiter MBA Betriebswirtschaft für Ärztinnen und Ärzte
Mitglied im Institut für Vernetzte Gesundheit Studiengangleitung
Führung und Management im Gesundheitswesen
In Kooperation mit der Hochschule Neu-Ulm

Lesedauer: 3,0 min
  


Themenüberblick:

Einführung

  • Aufbau und Strategie einer attraktiven Arbeitgebermarke

Personalgewinnung

  • Ausbildungsmarketing und Gewinnung von Auszubildenden
  • Auswahlverfahren in der Arztpraxis
  • Einarbeitung neuer Mitarbeitenden
  • Stellenbeschreibung für Verwaltungsstellen in Arztpraxen

Personalbindung

  • Maßnahmen und Bedeutung der Personalentwicklung in der Arztpraxis
  • Herausforderungen bei der Vergütung von Mitarbeitenden
  • Generationenmanagement
  • Personalcontrolling

   


Das Personal in Gesundheitseinrichtungen stellt die zentrale Quelle für die Wettbewerbsfähigkeit von Gesundheitseinrichtungen dar. Da Gesundheitsberufe mit einem besonders hohen Qualifikationsniveau einhergehen - Gesundheitseinrichtungen werden vielfach als Expertenorganisationen charakterisiert - ist die strategische Bedeutung der Ressource Personal im Gesundheitswesen sehr hoch (vgl. Stargardt 2022, S. 439). Offene Stellen im Bereich der medizinischen Assistenzberufe können in Arztpraxen immer seltener zeit- bzw. anforderungsgerecht besetzt werden (vgl. Frodl 2022, S. 162). In vielen Regionen Deutschlands, insbesondere auch im ländlichen Raum, ist die Nachfrage nach medizinisch vorgebildeten Mitarbeitern deutlich höher als das Angebot. Gesundheitseinrichtungen aller Segmente müssen vor diesem Hintergrund die spezifischen Bedürfnisse und Motive potenzieller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen des Personalmanagements deutlich stärker als bislang berücksichtigen. Dies gilt nicht nur für die Personalakquisition, sondern auch für die Personalentwicklung und -bindung. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Arbeitgeberattraktivität. Im Rahmen des Personalmarketings gilt es, Maßnahmen zu formulieren, die die Attraktivität einer Arztpraxis als Arbeitgeber für potenzielle Bewerber erkennbar erhöhen (vgl. Stargardt 2022, S. 439).


Aufbau und Strategie einer attraktiven Arbeitgebermarke

Der Aufbau und die Pflege einer attraktiven Arbeitgebermarke (employer brand) stellt die Voraussetzungen dafür dar, zukünftig noch die erforderliche Zahl an qualifizierten Bewerbungen zu erhalten (vgl. Kötter, P. M./Dorn, T./Albrecht 2022, S. 452). Dabei gilt es, die Bedürfnisse unterschiedlicher Generationen am Arbeitsplatz zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund des politisch beabsichtigten Trends zur Ambulantisierung dürfte sich der Fachkräftemangel in Arztpraxen zukünftig noch verschärfen. Im Rahmen einer Strategie zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität einer Arztpraxis können grundsätzlich folgende Handlungsfelder herangezogen werden: Tätigkeits-/ Arbeitsbedingungen, Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden, Personalentwicklung, Praxiswerte und -kultur sowie Personalgewinnung/-integration (vgl. Heitzer-Priem/Sausele 2017, S. 8). Diese Handlungsfelder sollten bereits im Rahmen der Rekrutierung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Auszubildenden berücksichtigt werden.

   


Personalgewinnung

Ausbildungsmarketing und Gewinnung von Auszubildenden

Von besonderem Interesse dürfte vor dem Hintergrund des skizzierten Fachkräftemangels zukünftig auch die Gewinnung von Auszubildenden sein, was wiederum ein professionelles Ausbildungsmarketing voraussetzt. Die Arztpraxis muss das Interesse möglicher Interessentinnen und Interessenten an einer Ausbildung wecken, eine qualitätsgesicherte Ausbildung sowie attraktive Perspektiven im Anschluss bieten. Auf diesem Wege lässt sich dann u.U. eine längerfristige Personalbindung erreichen (vgl. Frodl 2022, S. V). Für die Ansprache möglicher Interessentinnen und Interessenten an einer Ausbildung kommen u.a. folgende Ansätze in Betracht, die sich teilweise auch für die Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Berufserfahrung eignen: Blognetzwerke, digitale Live-Chats, Informationspakete für Eltern/Lehrer, Angebote für Schülerpraktika, Social Media Werbung auf Facebook, Youtube oder Instagram oder auch Tage der offenen Tür (vgl. Frodl 2020, S. 50ff.).

Auswahlverfahren in der Arztpraxis

Die Personalauswahl zielt darauf ab, geeignete Mitarbeitende aus den Kreisen möglicher Bewerberinnen und Bewerber herauszufiltern. In der Arztpraxis kommen folgende Auswahlverfahren in Betracht: Analyse von Bewerbungsunterlagen, Vorstellungsgespräche sowie Probearbeit (vgl. Frodl 2022, S. 168.). Gerade in Arbeitspraxen, die in der Regel durch eine überschaubare Größe gekennzeichnet sind, ist es wichtig, dass die neuen Mitarbeitenden gut in das Team passen. Dieser Team-Fit lässt sich am besten durch mehrere Gespräche, auch mit potentiellen Kolleginnen und Kollegen, sowie Probearbeit überprüfen.

Einarbeitung neuer Mitarbeitenden

Die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte anhand eines systematischen Einarbeitungsplans erfolgen und regelmäßige Feedbackschleifen beinhalten. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzen hier vielfach sogenannte Patenmodelle, d. h. die Zuordnung zu erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die die Einarbeitung übernehmen (vgl. Frodl 2022, S. 172). Stellenbeschreibungen können die Einarbeitung ebenfalls vereinfachen.

Stellenbeschreibung für Verwaltungsstellen in Arztpraxen

Typische Inhalte von Stellenbeschreibungen in Arztpraxen werden nachfolgend am Beispiel einer Verwaltungsstelle erläutert. Als Arbeitsplatz kann hier die Praxisverwaltung bzw. Rezeption aufgeführt werden. Es können sowohl Unterstellungsverhältnisse (z. B. gegenüber dem Inhaber der Praxis) oder Überstellungsverhältnisse (z. B. gegenüber Auszubildenden) mit der Stelle verbunden sein. Als Ziel der Stelle kann die umfassende Bearbeitung sämtlicher Verwaltungsaufgaben in der Praxis gesehen werden. Im Rahmen der Stellvertretungsregelung wird geregelt, wer die entsprechenden Aufgaben im Abwesenheitsfall (Krankheit, Urlaub, Elternzeit, Schulungen etc.) übernimmt. Im Rahmen der Aufgabenbeschreibung sollten die einzelnen Aufgaben stichpunktartig dargestellt sein, zum Beispiel das Terminmanagement, die Abrechnung von Kassen und Privatpatienten, der Telefondienst oder der Einkauf von Verbrauchsmaterialien. Kompetenzen oder Befugnisse dokumentieren beispielsweise, bis zu welchem Betrag in Euro Einkaufsentscheidungen eigenverantwortlich getroffen werden dürfen. In den Arbeitsplatzanforderungen kann dargelegt werden, welche Qualifikationen für die Stelle erforderlich sind. (vgl. Frodl 2022, S. 175).

   


Personalbindung

Die Unternehmenskultur, die Art und Weise wie Personal geführt wird, Arbeitsbedingungen und Inhalte, die betriebliche Gesundheitsförderung, Personalentwicklung und Karrieremöglichkeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder finanzielle Anreize können zu einer Personalbindung beitragen (vgl. Gerwing 2015, S. 65ff.)


Maßnahmen und Bedeutung der Personalentwicklung in der Arztpraxis
Im Rahmen der Personalentwicklung beispielsweise lassen sich in Arztpraxen folgende Maßnahmen unterscheiden (vgl. Frodl 2022, S. 182):

  • into the job: Entwicklung in eine neue Tätigkeit, z. B. Praxismanagement
  • on the job: direkte am Arbeitsplatz stattfindende Maßnahmen (z. B. geplanter Wechsel des Arbeitsplatzes, Vertretung bei Urlaub oder Krankheit, Sonderprojekte)
  • near the job: Abwechslung zwischen externen Schulungen und arbeitsplatzbezogener praktischer Umsetzung (duale Ausbildung)
  • off the job: Weiterbildungen, die außerhalb der eigenen Praxis stattfinden (z. B. Seminare oder Lehrgänge)

Idealerweise gelingt es, auf Basis eines systematischen Personalentwicklungsprozesses verschiedene Maßnahmen miteinander zu kombinieren. Dabei sollten, gerade im Hinblick auf Schulungen, Seminare oder Lehrgänge, digitale Optionen berücksichtigt werden. Auf diese Art und Weise lassen sich Abwesenheiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Praxis teilweise erheblich reduzieren. Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Praxis tragen dazu bei, den zunehmend komplexen Anforderungen an Arztpraxen besser gerecht zu werden. Investitionen sollten folglich nicht nur im Bereich Sachanlagen, zum Beispiel Medizintechnik, erfolgen, sondern auch im Bereich des Humankapitals (vgl. Frodl 2022, S. 197). Letztlich wirken sich systematische Personalentwicklungsprozesse auch auf die Arbeitgeberattraktivität sowie die Personalbindung aus.

Herausforderungen bei der Vergütung von Mitarbeitenden

Die adäquate Vergütung der Mitarbeitenden stellt für Unternehmen unterschiedlichster Branchen eine erhebliche Herausforderung dar. Neben dem Gehalt bieten sich mittlerweile zahlreiche Ansatzpunkte, um außerordentliche Leistungen auch finanziell zu belohnen. Denkbar sind hier beispielsweise Angebote zur betrieblichen Altersvorsorge, erfolgsabhängige Bonuszahlungen, Zuschüsse zu den Fahrtkosten (aktuell zum Deutschlandticket), die finanzielle Beteiligung am Erfolg der Arztpraxis, Jubiläumszuwendungen, materielle Anreize (zum Beispiel Diensthandy) oder Zuschüsse zu sogenannten vermögenswirksamen Leistungen. Im Rahmen von Cafeteria-Modellen besteht die Möglichkeit, aus einer Auswahl unterschiedlicher Angebote auszuwählen (vgl. Gerwing 2015, S. 71). Arztpraxen sollten hier versuchen, möglichst individuell auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen.

Generationenmanagement

Die Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Arztpraxis wird zukünftig immer stärker von einem professionellen Generationenmanagement abhängen. Auch in der Arztpraxis finden sich verstärkt Teams, deren Mitglieder ganz unterschiedlichen Generationen angehören. Derzeit finden sich in Arztpraxen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der folgenden Generationen: Babyboomer (1950-1964), Generation X (1965-1979), Generation Y (1980-1994) sowie Generation Z (1995-2009) (vgl. Lütkehaus/Kock 2021, S. 18). Es ist unmittelbar nachvollziehbar, dass sich diese Generationen im Hinblick auf diverse Merkmale unterscheiden. Exemplarisch sei hier die Arbeitshaltung (vgl. Lütkehaus/Kock 2021, S. 19) sowie der Kommunikationsstil (vgl. Lütkehaus/Kock 2021, S. 40) aufgeführt. Ein professionelles Demografiemanagement berücksichtigt - soweit im betrieblichen Alltag möglich - die spezifischen Wünsche und Erwartungen der verschiedenen Altersgruppen und macht zielgruppengerechte Angebote, z. B. im Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement.

Personalcontrolling

Die Steuerung der Arztpraxis in personalwirtschaftlicher Hinsicht kann schließlich über das Personalcontrolling erfolgen. Personalkennzahlen können hier eine wesentliche Basis für personalwirtschaftliche Entscheidungen oder die Steuerung der Ressourcen bilden. Mittels Personalkennzahlen lässt sich die personalwirtschaftliche Situation der Arztpraxis komprimiert darstellen, wobei als Referenzgrößen bei der Interpretation Vergangenheitswerte, Personalkennzahlen anderer Praxen oder Durchschnittswerte ärztlicher Verbände herangezogen werden können (vgl. Frodl 2022, S. 218). Aus der Vielzahl denkbarer Personalkennzahlen können für die Steuerung beispielsweise folgende Kennzahlen herangezogen werden. Fehlzeitenquote, Fluktuationsquote, Umsatz pro Mitarbeiter, Personalkostenquote, Mehrarbeitsquote oder Weiterbildungskosten (vgl. Frodl 2022, S. 219).



Beitragsserie

In unserer Serie beleuchten Experten der Hochschule Neu-Ulm verschiedene praxisrelevante Themen aus den Bereichen Arztrecht, Betriebswirtschaft und Digitalisierung für Sie.

Haben Sie Interesse? Hier finden Sie alle Fachbeiträge der HNU im Überblick.

Ausblick: Im nächsten Beitrag geht es um weitere Themen zur Digitalisierung in der Patientenversorgung.
  



Quellen:

Frodl, A. (2020), Professionelle Ausbildung in Gesundheitsberufen. Gewinnung, Schulung und Betreuung von Auszubildenden, Springer/Gabler, Wiesbaden

Frodl, A. (2022), Praxisführung für Arzt- und Zahnarztpraxen. Kosten senken, Effizienz steigern, 3. Auflage, Springer/Gabler, Wiesbaden

Gerwing, S. (2015), Fachkräfte finden & binden – Vielfalt nutzen. Ein Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen. RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V. (Hrsg.), Eschborn, online verfügbar unter: https://www.rkw-kompetenzzentrum.de/publikationen/leitfaden/fachkraefte-finden-binden-vielfalt-nutzen/, abgerufen am 24.10.2023

Heitzer-Priem, U./Sausele, S. (2017), Employer Branding. Mit unverwechselbarer Arbeitgebermarke punkten. Ein Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen, RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V. (Hrsg.), Eschborn, online verfügbar unter: www.rkw-kompetenzzentrum.de/publikationen/leitfaden/employer-branding/, abgerufen am 25.10.2023

Kötter, P. M./Dorn, T./Albrecht, C. (2022), Personalmanagement in Krankenversicherungen, in: Busse, R./Schreyögg, J./Stargardt, T. (Hrsg.), Management im Gesundheitswesen. Das Lehrbuch für Studium und Praxis, 5. Auflage, Springer/Gabler, Wiesbaden, S. 442-454.

Lütkehaus, I./Kock, S. F. (2021), Generationenmanagement in Arzt- und Zahnarztpraxis. Von Jung bis Alt ein starkes Team, Springer/Gabler, Wiesbaden

Stargardt, T. (2022), Personalmanagement im Gesundheitswesen – Einführung und methodische Grundlagen, in: Busse, R./Schreyögg, J./Stargardt, T. (Hrsg.), Management im Gesundheitswesen. Das Lehrbuch für Studium und Praxis, 5. Auflage, Springer/Gabler, Wiesbaden, S. 439-442.
  

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