In der Praxis
Arbeitsrecht: Wichtige Aspekte in der Arztpraxis
Autor:
Jörg Malinowski
Rechtsanwalt und eingetragener Mediator (Österreich)
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwalt für „Cooperative Praxis DVCP“
In Kooperation mit der Hochschule Neu-Ulm
Lesedauer: 2 min

Das Thema Arbeitsrecht spielt heutzutage auch in Arztpraxen eine wichtige Rolle. Die Entwicklung geht weg von kleinen Praxen hin zu überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) mit eigenen Strukturen und großen Gruppenpraxen mit zahlreichen Angestellten unterschiedlichster Berufsgruppen. So gelten dort alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen in gleicher Art und Weise wie in der freien Wirtschaft.
Mit welchen arbeitsrechtlichen Themen kommt Ihre Praxis in Kontakt? Im ersten Beitrag zum Thema Arbeitsrecht wurde das Arbeitszeitrecht und der Notdienst näher behandelt. In diesem Teil folgen weitere arbeitsrechtliche Themen, die in der Arztpraxis Relevanz haben können.
Kündigungsschutz und Befristungsrecht
Beschäftigt eine Praxis insgesamt mehr als 10 angestellte Personen, gilt für jeden, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht, das Kündigungsschutzgesetz. Dabei gelten Beschäftigte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit dem Faktor 0,5, Beschäftigte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 und Beschäftigte mit mehr als 30 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit mit 1,0.
Der Arbeitgeber darf dann das Arbeitsverhältnis nur kündigen, wenn es dazu einen betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Kündigungsgrund gibt. In Fällen schwerwiegenden Fehlverhaltens kann zusätzlich eine außerordentliche fristlose Kündigung in Betracht kommen. Ist das Kündigungsschutzgesetz hingegen nicht anwendbar, darf der Arbeitgeber frei und ohne Angabe von Gründen kündigen. Als Beschränkung gelten dann nur die gesetzlichen Kündigungsverbote, wie bei Schwangeren, schwerbehinderten Beschäftigten oder Beschäftigten in Elternzeit. In jedem Fall ist die Kündigungsfrist zu wahren, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben kann. Einen Mindeststandard geben aber in jedem Fall die gesetzlichen Kündigungsfristen vor. Diese sind im Regelfall 4 Wochen zum 15. oder Monatsende. Für den Arbeitgeber verlängern sie sich je nach Betriebszugehörigkeit der Beschäftigten gemäß § 622 BGB.
Für jede Kündigung, wegen Fehlverhaltens der/des Beschäftigten bedarf es regelmäßig einer vorherigen Abmahnung wegen eines gleichgelagerten Verhaltens. Diese sogenannte „gelbe Karte“ ist aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips vor jeder Kündigung, die auf ein Fehlverhalten der/des Beschäftigten aufbaut, erforderlich.
Auch können Arbeitsverträge nicht beliebig lang zeitlich von vornherein befristet werden. Die Befristung muss in Schriftform vereinbart werden. Allgemein gilt:
Ohne speziellen Befristungsgrund kann maximal 24 Monate befristet werden, wenn mit der/dem betreffenden Beschäftigten zuvor noch kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dabei gelten auch frühere, bereits beendete Anstellungsverhältnisse.
Ansonsten ist eine zeitliche Befristung des Arbeitsvertrages nur möglich, wenn es dafür einen speziellen sachlichen Grund gibt, z.B. Vertretungsfälle für vorübergehend ausgefallene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ist ein Arbeitsvertrag wirksam befristet, endet er mit Ablaufdatum, ohne dass es einer weiteren Kündigung bedarf. Die/der Beschäftigte hat die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Befristung von einem Arbeitsgericht überprüfen zu lassen, soweit sie/er innerhalb von 3 Wochen ab Befristungsende eine entsprechende Klage erhebt. Ist die Befristung unwirksam, besteht das Arbeitsverhältnis unbefristet fort.

Vergütung, Mehrarbeit, Arbeitszeitkonten
Die Vergütung der Angestellten wird wie üblich frei ausgehandelt. Es ist dabei lediglich der gesetzliche Mindestlohn zu beachten. Für Arztpraxen gilt das allgemeine Mindestlohngesetz. Für die Arbeitsbedingungen der Medizinischen Fachangestellten existieren Tarifverträge, die allerdings nur gelten, wenn der Tarifvertrag im Arbeitsvertrag ausdrücklich einbezogen worden ist.
Soweit Angestellte nach ihrem Arbeitsvertrag verpflichtet sind, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Mehrarbeit zu leisten, ist einerseits darauf zu achten, dass die Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.
Derartige zusätzliche Arbeitszeiten sind auch zusätzlich zu vergüten, etwa durch Geld oder Freizeitgewährung im selben Umfang. Hierfür ist es sinnvoll, ein Arbeitszeitkonto zu führen, auf dem Plus- und Minusstunden erfasst und saldiert werden. Dazu bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung im Arbeitsvertrag.
Ferner ist zu beachten, dass pauschale Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, wonach alle künftigen Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, unwirksam sind, da sie einer rechtlichen Transparenzkontrolle nicht standhalten. Soweit Mehrarbeit vergütet wird, können die teils steuerfreien Zuschläge vereinbart werden. Diese ergeben sich aus dem Einkommenssteuergesetz und sollten vor Vereinbarung in jedem Falle mit der Steuerberaterin /dem Steuerberater abgesprochen werden, da sich die steuerliche Praxis regelmäßig verändert. Dies gilt auch für Sachleistungen, wie Tankgutscheine etc.. Hier sollte stets eine individuelle steuerrechtliche Beratung erfolgen.
Überörtlicher Personaleinsatz
Soweit Praxen mehrere Standorte betreiben und die Beschäftigten übergreifend tätig sein sollen, muss dies im Arbeitsvertrag vereinbart sein. Wenn die Standorte unterschiedlichen Rechtsträgern zuzuordnen sind, z.B. einer Einzelpraxis und einem mit dieser kooperierenden MVZ, ist ein solcher übergreifender Einsatz nur möglich, wenn zu allen Rechtsträgern ein Arbeitsverhältnis besteht. Ansonsten kann eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung vorliegen. In diesen Fällen sollte immer eine arbeitsrechtliche Beratung erfolgen.
Alle Beiträge im Überblick:
- Off-Label Use
- Arbeitsrecht Teil 1
- Arbeitsrecht Teil 2
- Investitionsmanagement Teil 1
- Investitionsmanagement Teil 2
- Controlling in der Arztpraxis Teil 1
- Controlling in der Arztpraxis Teil 2
- Qualitätsmanagement in der Arztpraxis
- Risikomanagement in der Arztpraxis
- Digitalisierung im Praxisalltag
- Digitale Kommunikation in der Arztpraxis
- Digitales Marketing in der Arztpraxis
- Demografischer Wandel und die Zukunft der Arztpraxis
- Erstellung und Veröffentlichung von Stellenanzeigen in der Praxis
- So gewinnen und halten Sie Personal im Praxisteam
- Digitalisierung in der Patientenversorgung Teil 1
- Digitalisierung in der Patientenversorgung Teil 2
- Nachhaltigkeit in Arztpraxen
Hinweis: Diese Ausführungen geben einen Überblick über mögliche relevante Themen im Arbeitsrecht einer Praxis. Diese sind keinesfalls abschließend und behandeln die aufgeworfenen Rechtsfragen nicht abschließend. Eine gesonderte Rechtsberatung im Einzelfall ist daher stets erforderlich.