BEITRAGSSERIE MIT DER HOCHSCHULE NEU-ULM
Digitale Kommunikation in der Arztpraxis
Autor: Professor Dr. Patrick Da-Cruz
Praxisbeauftragter Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen
Studiengangleiter MBA Betriebswirtschaft für Ärztinnen und Ärzte
Mitglied im Institut für Vernetzte Gesundheit
Studiengangleitung Führung und Management im Gesundheitswesen
In Kooperation mit der Hochschule Neu-Ulm
Lesedauer: 2,5 min
Das Wichtigste in Kürze
Im Kontext von Digitalisierung und KI sind digitale Kommunikationsinstrumente in der Arztpraxis von zentraler Bedeutung - sei es im Hinblick auf die Kommunikation unter Medizinern, beim Einholen von Zweitmeinungen oder bei der Kommunikation über Messenger-Dienste. Hier konnten sich zwischenzeitlich unterschiedliche Anbieter etablieren, z. B. Siilo, Doctorsgate oder MedioOne. Auch die gematik bietet mit dem TI-Messenger eine entsprechende Anwendung an. Ob und inwieweit es Anreize für die Arztpraxis zur Durchführung der erforderlichen Investitionen in Hardware und Software über Honorare oder einen Förderrahmen wie beim KHZG geben wird, ist noch offen. Auch sind bei sämtlichen Aktivitäten im Bereich Digitalisierung und KI in der Arztpraxis diverse datenschutzrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen.

Die Nutzung digitaler Kommunikationsinstrumente in der Arztpraxis weitet sich mit dem Anschluss an die Telematik-Infrastruktur (TI) aus, vor allem im Hinblick auf externe Schnittstellen. Die elektronische Patientenakte, das elektronische Rezept, elektronische Formen des Arztbriefs, spezielle Messenger-Dienste für eine sichere Patientenkommunikation oder digitale Vorbefunde von Behandlern aus Akut- oder Rehakliniken werden auch die Prozesse innerhalb der Arztpraxis verändern (vgl. Debatin/Stachwitz 2023, S. 16).
Im jährlich erscheinenden Praxisbarometer der kassenärztlichen Bundesvereinigung wurde das höchste Potenzial für eine verbesserte Versorgung mittels Digitalisierung in der Kommunikation unter Medizinern gesehen. Während der e-Arztbrief nur von ca. einem Drittel der Befragten genutzt wird, sehen mehr als zwei Drittel der Befragten in diesem Kommunikationsinstrument einen hohen Nutzen der Anwendung (vgl. KBV 2023, S. 3)

Ob und inwieweit eine Arztpraxis digitale Kommunikationsmöglichkeiten nutzt, hängt grundsätzlich auch vom Durchschnittsalter der Mitarbeitenden und der Größe der Praxis ab. Ein geringes Durchschnittsalter sowie eine überdurchschnittliche Größe der Praxis gehen typischerweise mit einer verstärkten Nutzung digitaler Kommunikationsinstrumente einher (vgl. Altmann, N./Scheer, L./Esch 2023, S. 168).
Messenger-Dienste in der Arztpraxis
Beim Einholen einer Zweitmeinung bezüglich eines Befundes sind Apps mittlerweile von zentraler Bedeutung. Vielfach wird hier auf den Marktführer WhatsApp zurückgegriffen. Obwohl WhatsApp einen Beitrag zur Verbesserung der Behandlungsqualität leisten kann, ist die Verwendung der App aus rechtlicher Sicht eher kritisch zu sehen. Gleichwohl gibt es Alternativen wie beispielsweise Siilo, Doctorsgate oder MediOne, die eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verwenden und damit datenschutzkonform sind (vgl. Heeser 2019, o. S.).
Siilo
Siilo eignet sich insbesondere für interne Kommunikationsprozesse in der Arztpraxis. Auch wenn die primäre Nutzung als mobile App erfolgt, kann der Dienst auch am Laptop oder PC browserbasiert erfolgen. Anwendungsfelder bilden der fachliche Austausch, zum Beispiel bei Fragen zu einzelnen Fällen, oder der Austausch zu organisatorischen Fragestellungen, z. B. Dienstplanaktualisierungen oder Vertretungsregelungen (vgl. Altmann, N./Scheer, L./Esch 2023, S. 171).
Doctorsgate
Doctorsgate stellt ein soziales Netzwerk dar, das sich insbesondere an Ärzte und Fachpersonal richtet. Es erfordert eine Registrierung inklusive des Nachweises der Zugehörigkeit zu den zugelassenen Berufsgruppen, die Verwendung ist nur in Form einer mobilen App möglich. Klassische Bestandteile sind u. a. ein Newsfeed und öffentliche Foren - dies ermöglicht die Diskussion einzelner Fälle, den Austausch von Befunden oder Bildern. Die Daten sind doppelt verschlüsselt und werden nicht auf fremden Servern gelagert; im Hinblick auf Patientendaten erfolgt eine automatische Anonymisierung (vgl. Altmann, N./Scheer, L./Esch 2023, S. 172).
MediOne
MediOne bietet die Möglichkeit des Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen sowie Patientinnen und Patienten, wobei textbasierte Nachrichten und Dateien (beispielsweise Befunde) verschickt werden können. Darüber hinaus existiert die Möglichkeit der Terminvereinbarung; Chat- und Videosprechstunden können ebenfalls angeboten werden. MediOne bietet eine kostenlose Basisversion sowie eine Premiumversion, die kostenpflichtig ist. (vgl. Altmann, N./Scheer, L./Esch 2023, S. 172f.).
TI-Messenger
Mit dem TI-Messenger der gematik steht ein sicheres Verfahren zur Übermittlung von Daten gemäß § 311 Abs. 6 SGB V zur Verfügung. Der Nachrichtendienst erfüllt die speziellen Anforderungen im Gesundheitswesen im Hinblick auf Sicherheitstechnik und Datenschutzrecht. Für die Einführung sind mehrere Phasen vorgesehen. In der ersten Phase geht es um den Austausch von Nachrichten zwischen verschiedenen Leistungserbringern. In weiteren Phasen sollen dann Patienten und Krankenversicherung integriert werden (vgl. Bundesärztekammmer o.J., o.S.)
Finanzierung
Vor dem Hintergrund der Investitionen und laufenden Kosten, die mit der Digitalisierung von Praxen verbunden sind, wird teilweise eine Erhöhung des ärztlichen Honorars verlangt. (vgl. Naumann 2017, S. 133). Alternativ kann auch ein Förderrahmen wie beim KHZG in Betracht gezogen werden. Dieser Rahmen wäre dann ggf. auch Anreiz für die Anbieter von Arztinformations- oder Praxisverwaltungssysteme, ihre Systeme zum Nutzen der Patientinnen und Patienten weiterzuentwickeln, was wiederum belastbare Finanzierungsplanungen erfordert (vgl. Debatin/Stachwitz 2023, S. 17).
Datenschutz
Weiterhin gilt es, in der Praxis relevante rechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Im Rahmen der hier und in Folgebeiträgen besprochenen Digitalisierungsmaßnahmen in der Arztpraxis ergeben sich nämlich diverse rechtliche Fragestellungen, unter anderem auch im Bereich Datenschutz.
Da es sich bei Gesundheitsdaten um besonders sensible Informationen handelt, gilt es hier, diverse datenschutzrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. Die Verantwortung sämtlicher Daten, die vom Praxisinhaber bzw. Mitarbeitenden verarbeitet werden, obliegt dem Praxisinhaber. Die Weitergabe von Patientendaten, beispielsweise an nachbehandelnde Ärztinnen und Ärzte, stellt einen Verarbeitungsprozess dar, den die Ärztin bzw. der Arzt zu verantworten hat und der eine Patienteneinwilligung erfordert. Eine unerlaubte Weitergabe kann datenschutzrechtliche, strafrechtliche sowie berufsrechtliche Konsequenzen haben (vgl. Jorzig 2023, S. 65).
Beitragsserie
In unserer Serie beleuchten Experten der Hochschule Neu-Ulm verschiedene praxisrelevante Themen aus den Bereichen Arztrecht, Betriebswirtschaft und Digitalisierung für Sie.
Haben Sie Interesse? Hier finden Sie alle Fachbeiträge der HNU im Überblick.
Ausblick: Im nächsten Beitrag geht es um digitales Marketing in der Arztpraxis und wie Sie Patientinnen und Patienten im Internet erreichen. Stichwort: Praxis-Homepage, Bewertungsportale & Co.

Die HNU ist die führende International Business School für die Region Neu-Ulm/Ulm und umfasst die Fakultäten Gesundheitsmanagement, Informationsmanagement und Wirtschaftswissenschaften sowie das Zentrum für Weiterbildung. Hier können beispielsweise Ärztinnen und Ärzte Masterstudiengänge absolvieren.
Literatur:
Altmann, N./Scheer, L./Esch, T. (2023), Digitale Kommunikation in der Praxis: Chancen, Risiken, Tipps und Tools, in: Henningsen, M./Stachwitz, P./Fahimi-Weber, S. (Hrsg.), Die digitale Arztpraxis. Technik, Tools und Tipps zur Umsetzung, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 165-180
Bundesärztekammer (o. Jg.), TI-Messenger. Instant-Messaging trotz Schweigepflicht, verfügbar unter www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/digitalisierung/digitale-anwendungen/telematikinfrastruktur/ti-messenger, abgerufen am 10.5.2023
Debatin, J.F./Stachwitz, P. (2023), Exkurs: Was die digitale Praxis vom digitalen Krankenhaus lernen kann, in: Henningsen, M./Stachwitz, P./Fahimi-Weber, S. (Hrsg.), Die digitale Arztpraxis. Technik, Tools und Tipps zur Umsetzung, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 14-18
Heeser A (2019) Messenger-Apps für den medizinischen Arbeitsalltag, verfügbar unter: www.kma-online.de/aktuelles/ it-digital-health/detail/messenger-apps-fuer-den-medizinischen-arbeitsalltag-a-42203, abgerufen am 10.03.2023
Jorzig, A. (2023), Datenschutz und Datensicherheit in: Henningsen, M./Stachwitz, P./Fahimi-Weber, S. (Hrsg.), Die digitale Arztpraxis. Technik, Tools und Tipps zur Umsetzung, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 65-79
KBV (2023), Schlussfolgerungen der KBV. Praxisbarometer Digitalisierung 2022, online verfügbar unter: www.kbv.de/media/sp/KBV_PraxisBarometer_Digitalisierung_2022.pdf, abgerufen am 10.3.2023
Naumann, J (2017), Die digitale Arztpraxis – Vision oder Fiktion?, in: Matusiewicz, D./Pittelkau, C./Elmer, A.(Hrsg.), Die Digitale Transformation im Gesundheitswesen. Transformation, Innovation, Disruption, MVW Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 131-133