In der Praxis

Investitionsrechnung in der Arztpraxis

Teil 1

Autor:
Professor Dr. Erik Rederer
Studienfachberater Betriebswirtschaft
Leitung Kompetenzzentrum Finance, Accounting, Controlling, Taxation
Mitglied im Institut für Vernetzte Gesundheit
In Kooperation mit der Hochschule Neu-Ulm

Lesedauer: 2 min
  


Investitionsarten in der Arztpraxis


Auch wenn es sich bei Arztpraxen tendenziell um kleinere Betriebe handelt, ergeben sich dort die unterschiedlichsten Investitionsbedarfe bzw. -anlässe. Exemplarisch seien hier Sachinvestitionen, zum Beispiel neue Behandlungseinrichtungen, Ersatzinvestitionen, zum Beispiel der Ersatz von Altgeräten, Erweiterungsinvestitionen, zum Beispiel der Bau neuer Praxisräume, oder Rationalisierungsinvestitionen, zum Beispiel IT-Investitionen, genannt. Darüber hinaus können diese mit Ausgaben in den Bereichen Werbung oder Ausbildung als immaterielle Investitionen angesehen werden.1

Als Spezialform der Praxisinvestition kann der Komplett- oder Teil-Erwerb von Arztpraxen betrachtet werden – im Rahmen derartiger Transaktionen ist die Praxiswertermittlung von zentraler Bedeutung.2  Angesichts der Kettenbildung im Bereich medizinischer Versorgungszentren tritt diese Thematik immer häufiger auf. Bislang lassen sich derartige Kettenbildungen vor allem in den Bereichen Augenheilkunde, Zahnmedizin, Radiologie sowie Labormedizin beobachten. Gleichwohl erscheint eine Expansion in weitere fachliche Bereiche wahrscheinlich.3

 

Beitragsserie mit der HNU: Investitionsmanagement

Die Relevanz des Themas Investitionen für die einzelne Praxis hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Ein Faktor ist die Versorgungsdichte. Die Hausarztpraxis, die eine lokale Monopolstellung hat, wird eine andere Perspektive auf das Thema haben als eine Zahnarztpraxis in der Großstadt, die mit zahlreichen Zahnarztpraxen konkurriert. Die Zahnarztpraxis muss sich im Wettbewerb positionieren, was unter anderem eine zahnmedizinische Schwerpunktsetzung oder moderne Räumlichkeiten und Praxisausstattung voraussetzt. Derartige Stärken gilt es dann entsprechend zu kommunizieren.4  Darüber hinaus ist die fachärztliche Spezialisierung von besonderer Bedeutung. Facharztpraxen mit einer hohen Kapitalintensität, z. B. die Radiologie,5  sind sowohl im Hinblick auf das zu tätigende Investitionsvolumen als auch die Frequenz häufiger mit Investitionsentscheidungen befasst als Fachrichtungen der „sprechenden Medizin“ wie Psychotherapie. In kapitalintensiven Facharztpraxen macht es gegebenenfalls Sinn, gerade im Hinblick auf Investitionen in den Bereichen Medizintechnik und Medizingeräte auf sogenannte Apparategemeinschaften abzustellen. Letztlich stellen diese partielle Praxisgemeinschaften dar, in denen ein Zusammenschluss verschiedener Ärzte stattfindet mit dem Ziel, Medizintechnik und Medizingeräte gemeinsam zu nutzen.6

Unabhängig vom Anlass der Investition besteht vor jeder Investition die Notwendigkeit, deren Vorteilhaftigkeit zu überprüfen. Dabei handelt es sich um ein mehrdimensionales Entscheidungsproblem, das mehrere Aspekte inkludiert. Der aktuelle Stand der Technik, die Potenziale zur Prozessoptimierung in der Praxis oder Marketing-Aspekte mögen hier in Betracht kommen. Vor dem Hintergrund, dass mit Investitionen häufig Folgekosten im Bereich Wartung/Instandhaltung, Kapitalbindung und Finanzierung Fragestellungen verbunden sind,7  sollen im Folgenden insbesondere betriebswirtschaftliche Aspekte Berücksichtigung finden.

 

Finanzierung von Investitionen in der Arztpraxis
  

Beitragsserie mit der HNU: Arbeitsrecht

Während im stationären Sektor das Prinzip der dualen Finanzierung gilt, d.h. Finanzierung der Investitionen über öffentliche Mittel der Bundesländer und Finanzierung der laufenden Betriebskosten durch die Krankenkassen8, müssen Arztpraxen neben den laufenden Personal- und Sachkosten auch die erforderlichen Investitionsmittel erwirtschaften.9  Vor diesem Hintergrund ist die systematische Bewertung der Investition inklusive der damit verbundenen Risiken besonders bedeutsam.

Im Hinblick auf die Mittelherkunft kann grundsätzlich zwischen der Außen- und Innenfinanzierung unterschieden werden. Die Außenfinanzierung der Arztpraxis ist dadurch gekennzeichnet, dass das benötigte Kapital durch Externe, zum Beispiel Lieferanten oder Banken, zur Verfügung gestellt wird. Bankdarlehen oder Kontokorrentkredite können hier exemplarisch genannt werden. Von erheblicher Bedeutung im Kontext von Arztpraxen ist mittlerweile die Finanzierungsform Leasing. Im Rahmen dieser Finanzierungsform werden der Arztpraxis durch den Hersteller von Medizintechnik/Medizingeräten oder IT-Hardware bzw. eine Finanzierungsgesellschaft entsprechende Wirtschaftsgüter für einen gewissen Nutzungszeitraum vermietet. Für die Nutzung dieser Wirtschaftsgüter muss die Arztpraxis entsprechende Leasingraten entrichten.10  Bei der Innenfinanzierung handelt es sich letztlich um eine Selbstfinanzierung, d. h. eine Finanzierung aus einbehaltenen Praxisgewinnen. Inwieweit diese Quelle genutzt werden kann, hängt unter anderem von der Profitabilität der Arztpraxis, steuerlichen Aspekten oder dem Niveau der Privatentnahmen des Praxisinhabers ab.11

Bei der Entscheidung über eine Investition stehen auch in der Arztpraxis in der Regel unterschiedliche Investitionsalternativen zur Verfügung. Für die Bewertung dieser Alternativen bieten sich Methoden der Investitionsrechnung an, die Aussagen darüber ermöglichen, ob die Investitionen wirtschaftlich sind. Sie haben damit Planungscharakter (vor der Investitionsentscheidung) bzw. Kontrollcharakter (nach der Investitionsentscheidung).12

 

Investitionsplanung in der Arztpraxis


Investitionen binden ein Unternehmen oft langfristig und sind nur schwer und unter hohen Kosten rückgängig zu machen. Es ist deshalb wichtig, einen „Plan“ hinsichtlich der künftig beabsichtigten Investitionen zu haben:

  • Die langfristige Investitionsplanung ist eng verknüpft mit der grundsätzlichen Strategie des Unternehmens. Hierbei geht es beispielsweise um folgende Fragen: Wo sieht der Praxisinhaber seinen künftigen medizinischen Schwerpunkt und welche Ausstattung ist hierfür notwendig? Sind Änderungen in der Organisationsform geplant (z.B. Zusammenschluss von Praxen)? Mit anderen Worten geht es hier um sehr folgenschwere Entscheidungen.
  • Die mittelfristige Investitionsplanung hat einen kürzeren und weniger grundsätzlichen Charakter. Hier geht es beispielsweise um regelmäßige Ersatzinvestitionen, bei denen man schon entsprechende Erfahrungen gesammelt hat.
  • Bei der kurzfristigen Investitionsplanung geht es um situative Entscheidungen, die – auch wenn man falsch liegen sollte – nicht besonders schwerwiegend sind bzw. ohne großen Aufwand korrigiert werden können (z.B. Art der Schreibtische, die angeschafft werden).

In jedem Fall ist jedoch die Erstellung einer Investitionsrechnung empfehlenswert. Dies wird das Thema des zweiten Beitrages zur Investitionsrechnung sein.



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In unserer Serie beleuchten Experten der Hochschule Neu-Ulm verschiedene praxisrelevante Themen für Sie.

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Ausblick: Weiter geht es in der nächsten Newsletter-Ausgabe mit Teil 2 zur Investitionsrechnung in der Arztpraxis. Konkret erläutert werden statische und dynamische Verfahren der Investitionsrechnung.
  



Quellen:

1 Vgl. Frodl 2016 S. 36
2 Vgl. Frodl 2016, S. 44
3 Vgl. Scheuplein 2021, S. 30
4 Vgl. Frodl 2012, S. 333
5 Vgl. Scheuplein 2019, S. 1
6 Vgl. Fischer 2021, S. 127
7 Vgl. Frodl 2016, S. 35f.
8 Vgl. Niehus/Winkelhaus 2017, S.1
9 Vgl. Frodl 2016, S. 17
10 Vgl. Frodl 2016, S. 19f
11 Vgl. Frodl 2016, S. 23
12 Vgl. Frodl 2016, S. 37

 


Literatur:

Fischer, G. (2021), Die Arztpraxis. Erlöse optimieren - Kosten reduzieren, ecomed Medizin, Landsberg am Lech

Frodl, A. (2012), Marketing im Gesundheitsbetrieb, in: Hoffmann, S./Schwarz, U./Mai, R. (Hrsg.), Angewandtes Gesundheitsmarketing, S. 323-342

Frodl. A. (2016), Praxisführung für Ärzte. Kosten senken, Effizienz steigern, 2. Auflage, Springer/Gabler, Wiesbaden

Niehues, C./Winkelhaus, L. (2017), Krankenhausfinanzierung: Besonderheiten der Investiti-onsfinanzierung, in Oberarzt heute, Heft 4, S. 6-8, online verfügbar unter oberarzt-heute.de/krankenhausfinanzierung-besonderheiten-der-investitionsfinanzierung, abgerufen am 5.12.2021

Olfert, K. (2019): Investition, 14. Auflage, Kiehl-Verlag, Ludwigshafen

Scheuplein, Christoph (2019): Wie Private-Equity-Gesellschaften den deutschen Radiologie-Markt durchdringen. In: Radiologen WirschaftsForum, Nr. 5, S. 1-3, online verfügbar unter: www.rwf-online.de/content/wie-private-equity-gesellschaften-den-deutschen-radiologie-markt-durchdringen, abgerufen am 5.12.20121

Scheuplein, Christoph (2021): Übernahme von MVZ durch Private-Equity-Investoren in Bay-ern. KVB Forum Nr. 3, S. 28-30, online verfügbar unter www.iat.eu/aktuell/veroeff/2021/scheuplein01.pdf, abgerufen am 5.12.2021


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