In der Praxis

Risikomanagement in der Arztpraxis


Autor: Professor Dr. Erik Rederer
Studienfachberater Betriebswirtschaft
Leitung Kompetenzzentrum Finance, Accounting, Controlling, Taxation
Mitglied im Institut für Vernetzte Gesundheit
In Kooperation mit der Hochschule Neu-Ulm

Lesedauer: 1,5 min
  

Bei „Risiko“ handelt es sich um einen sehr abstrakten Begriff, der ein schwer messbares Phänomen beschreibt. Wir sind permanent von Risiken umgeben, aber man kann sie oftmals weder sehen, hören oder greifen und wird sich ihrer vollen Tragweite erst bewusst, wenn sie sich manifestieren. Ganz allgemein kann man unter „Risiko“ die Möglichkeit einer Abweichung von einem erwarteten und/oder erwünschten Zustand verstehen. Wenn eine Patientin oder ein Patient beispielsweise eine Ärztin oder einen Arzt aufsucht, dann erwartet sie/er eine professionelle und den Regeln der Kunst entsprechende Behandlung, die zu einer Verbesserung oder Wiederherstellung der Gesundheit führt. Ein Risiko könnte nun darin bestehen, dass etwas abseits dieser Erwartung eintritt, beispielsweise ein Behandlungsfehler.


Medizinische und nicht-medizinische Risiken

Die denkbaren Risiken in einer Arztpraxis können grob in zwei Kategorien aufgeteilt werden: Die medizinischen Risiken und die nicht-medizinischen Risiken. Unter den medizinischen Risiken sollen dabei jene verstanden werden, die sich unmittelbar auf den Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten auswirken und die eigentliche ärztliche Kunst betreffen. Unter den nicht-medizinischen Risiken werden alle anderen verstanden.


Denkbare medizinische Risiken:

Beispielhafte Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Fehler in der Diagnosestellung
  • Fehler in der Lagerung von Medikamenten (z.B. Impfstoffe werden bei zu hoher Temperatur gelagert)
  • Fehler im Bereich der Hygienestandards
  • Fehler in der ärztlichen Dokumentation
  • Fehler in der Aufklärung von Patientinnen und Patienten
  • Fehler im Bereich der empfohlenen Therapie/der weiteren Vorgehensweise
  • Fehler im Bereich der Medikation

Denkbare nicht-medizinischen Risiken:

Beispielhafte Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Eine moderne Arztpraxis ist auf verschiedenen Wegen mit dem Internet verbunden, so dass sie den Gefahren von Cyberangriffen, Computerviren usw. ausgesetzt ist.
  • Eng damit verbunden sind Datenschutzrisiken. Bei Patientendaten handelt es sich um ganz besonders sensible und gesetzlich geschützte Daten. Insofern besteht ein Risiko, dass diese Daten in die falschen Hände geraten.
  • In einer Arztpraxis arbeiten normalerweise mehrere Angestellte, so dass die Gefahr menschlichen Fehlverhaltens (z.B. Korruption, Diebstahl, usw.) besteht.
  • Wie jeder Betrieb ist auch eine Arztpraxis typischen betriebswirtschaftlichen Risiken ausgesetzt: Hier wäre beispielsweise an Liquiditätsschwierigkeiten oder eine zu hohe Kostenstruktur zu denken.
  • In Zeiten des Internets können Fehler, Zufälle oder unzufriedene Patientinnen und Patienten über entsprechende Bewertungsportale oder soziale Netzwerke zu einem Reputationsschaden führen.
  • Der Standort bzw. die Umgebung einer Arztpraxis kann sich im Zeitverlauf verändern und Einfluss auf z.B. den Anteil an Privatpatienten haben.

Instrumente des Risikomanagements

Die systematische und frühzeitige Auseinandersetzung mit Vorbereitung auf mögliche Risiken kann deren Eintrittswahrscheinlichkeit verringern und/oder die Schwere der möglichen Folgen verringern. Wichtige Bestandteile eines effektiven Risikomanagementsystems sind beispielsweise:

  • Eine systematische Risikoidentifikation, die beispielsweise in die Erstellung eines Risikoinventars mündet, aus welchem die denkbaren Arten von Risiken und ihre Schwere bzw. Relevanz hervorgehen (z.B. Ehrmann (2012), S. 134 ff.).
  • Die Auseinandersetzung mit möglichen Strategien zum Umgang mit Risiken. Hier können folgende grundsätzliche Vorgehensweisen unterschieden werden (vgl. Ehrmann (2012), S. 137 ff.): 
    - Risikovermeidung
    Hier würde man versuchen, die Möglichkeit eines Risikoeintritts von vornherein zu verunmöglichen, beispielsweise dadurch, dass auf die Investition in ein teures medizinisches Gerät verzichtet wird.
    - Risikoverminderung
    Hier geht es darum, die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes bzw. dessen Folgen zu reduzieren; beispielsweise durch regelmäßige Schulungen und Fortbildungen des Personals.
    - Risikoüberwälzung
    z.B. durch den Abschluss von entsprechenden Versicherungen.
    - Risikodiversifikation
    z.B. Ausdehnung der betrieblichen Tätigkeit auf weitere medizinische Behandlungen, weitere Patientengruppen oder die Bildung einer Gemeinschaftspraxis.
    - Risikoübernahme
    z.B. Bildung von Reserven/Eigenkapital für den Fall von unvorhersehbaren negativen Ereignissen und somit die Verbesserung der Risikotragfähigkeit.

 

 


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Quellen:

Ehrmann, Harald (2012): Risikomanagement in Unternehmen. 2. Auflage. Kiehl-Verlag
  


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