Telemedizinische Anwendungen in Deutschland

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Telemedizin ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien, um die medizinische und behandlungsbezogene Zusammenarbeit von Angehörigen der Heilberufe untereinander und mit Patienten im Rahmen von Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation zu unterstützen.

Lesedauer: 4 min
  

Arzt mit Patientin in einer digitalen Sprechstunde

Telemedizin umfasst nicht nur telemedizinische Sprechstunden. Per Definition gehören auch das sogenannte Telekonsil, die Vernetzung von z. B. Allgemeinärzten mit Fachärzten, das Monitoring des Gesundheitszustandes mit Hilfe von elektronischen Fragebögen, Fotos oder telemetrischen Messgeräten sowie die Telediagnostik hinzu.

Die Telemedizin birgt damit großes Potenzial, den Zugang zu medizinischer Betreuung zu erleichtern und diese zu verbessern. Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Projekte aus den genannten Bereichen vor.


Telemonitoring

Unter Telemonitoring wird die telematische Überwachung von Patienten verstanden. Dabei werden beispielsweise biologische Messwerte von Patienten mit Hilfe vernetzungsfähiger Geräte oder Sensoren überwacht und die gemessenen Daten anschließend an eine räumlich getrennte Überwachungsanwendung übertragen.

Arzt hält ein Tablet in der Hand

Telemonitoring-basiertes Management von Patienten mit Herzschwäche

Ein zurzeit viel beachtetes Projekt wird vom GKV-Spitzenverband vorangetrieben. Laut Statistik war chronische Herzschwäche in den vergangenen zehn Jahren die häufigste Ursache für Klinikeinweisungen. Der GKV-Spitzenverband hofft nun, die Anzahl der Einweisungen durch ein telemedizinisches Monitoring zu reduzieren. Dazu sollen die Teilnehmer des Programms täglich ihren Blutdruck, die Sauerstoffsättigung des Bluts sowie ihr Gewicht messen und an ein Telemedizinzentrum übermitteln. Bei auffälligen Befunden informiert das Personal sofort die behandelnden Hausärzte und Kardiologen.

Diese sollen innerhalb von 24 Stunden entscheiden, ob Handlungsbedarf besteht und – falls nötig – eine entsprechende Therapie einleiten. Der Vorteil des Systems besteht darin, dass die Fachleute eine Verschlechterung der Herzleistung erkennen noch bevor sich diese beim Patienten symptomatisch manifestiert.

Auf Antrag der Kassen prüft der G-BA nun, ob das System dazu beitragen kann, die Zahl der Tage, die Betroffene im Krankenhaus verbringen müssen, zu verringern und sogar Todesfälle zu verhindern. Eine Entscheidung wird für Q1 2021 erwartet.

Telediagnostik

Bei der Telediagnostik wird eine Krankheit festgestellt, obwohl Arzt und Patient sich nicht am selben Ort befinden. Telediagnostik ist nicht nur vorteilhaft, wenn die räumliche Trennung zwischen Arzt und Patient groß ist, sondern auch, wenn Patienten über Symptome klagen, die nur selten auftreten.

Telediagnostik-EKG bei Patienten mit Herz-Rhythmusstörungen

Den möglichen Nutzen telemedizinischer Anwendungen bei der Diagnose von Erkrankungen zeigte bereits ein Projekt aus dem Jahr 2008. Patienten mit unspezifischen oder selten auftretenden Symptomen, die auf Herzrhythmusstörungen zurückzuführen sein könnten, erhielten einen externen Ereignisrekorder (EKG-Karte der Firma vitaphone). Mit diesem wurde ein Rhythmusstreifen über 30 Sekunden aufgezeichnet und über ein Telefon direkt auf ein Faxgerät in einer kardiologischen Intensivstation gesendet, wo das EKG befundet wurde. Falls nötig leitete die Station auch die medizinische Intervention ein.

Die teilnehmenden Patienten waren z. T. seit 10 Jahren in kardiologischer Behandlung, ohne dass eine Diagnose gestellt werden konnte, die zu einer zielgerichteten Therapie geführt hätte. Am Ende des Projektzeitraums im Jahr 2012 konnte in 44 % der Fälle eine Diagnose gestellt werden.

Telediagnostik-App SkinVision

SkinVision, ein niederländisches Start-Up, bietet eine auf künstlicher Intelligenz basierende App, die einschätzt, ob es sich bei Hautveränderungen um Melanome handelt. Dazu fotografieren Nutzer die betreffende Hautpartie und beantworten ein paar gesundheitsbezogene Fragen. Die KI nimmt dann die Bewertung vor und gibt Empfehlungen, was als nächstes zu tun ist.

Der Anbieter SkinVision sieht die Qualität der Beurteilung melanomverdächtiger Hautveränderungen durch sein System auf Augenhöhe mit der hautärztlichen Begutachtung. Die Sensitivität wird mit 94 %, die Spezifität mit 80 % angegeben.

Der Anbieter kooperiert mit einigen privaten Krankenkassen. Gesetzliche Krankenkassen dürfen die Leistung nicht bezahlen, GKV-Versicherte müssen also selber zahlen.

Flugzeug hebt ab

Mobiles Telediagnostik-EKG-System bei der Lufthansa

Herz-Kreislauf-Beschwerden sind der häufigste Grund für medizinische Zwischenfälle an Bord eines Flugzeugs. Deshalb hat die Lufthansa als erste Fluggesellschaft der Welt all ihre Langstreckenflugzeuge mit dem mobilen EKG-System CardioSecur ausgerüstet. Das System kann ein Zwölf-Kanal-EKG aufzeichnen. Weitere patientenspezifische Parameter wie Alter, Gewicht, Geschlecht, Blutdruck und Sauerstoffsättigung können manuell erfasst werden.

Diese Daten werden dann per FlyNet an den internationalen Telemedizin-Anbieter ISOS weitergeleitet und dort ausgewertet. ISOS berät anschließend auf Basis der Daten die Cockpit-Crew, die letztlich entscheiden muss, ob eine Zwischenlandung erforderlich ist.

Sollte ein Arzt an Bord sein, kann dieser mit dem Expertenmodus in der App außerdem die Herzaktivität überwachen. Ob das der Fall ist, können die Flugbegleiter dank des Programms „Arzt an Bord“, bei dem sich Ärzte freiwillig registrieren können, innerhalb kurzer Zeit herausfinden.

Medizinisches Personal bei einer Fortbildung

Telekonsil

Bei einem Telekonsil findet eine Beratung zwischen zwei oder mehreren Angehörigen der Heilberufe mittels der Telematik statt. Sie ermöglicht damit z. B. die Vernetzung verschiedener Fachärzte, die Vernetzung von nichtärztlichen und ärztlichen Heilberuflern oder die Einholung einer Experten- oder Zweitmeinung. Insbesondere in dünnbesiedelten Regionen, in denen die Wege oft sehr weit oder Spezialisten nicht verfügbar sind, kann das Telekonsil nützlich sein.

Telekonsil bei der medizinischen Wundbehandlung

2014 startete das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zusammen mit der DAK Gesundheit die Televisite. Ziel war es Pflegepersonal und niedergelassene Ärzte mit einem sogenannten Telekonsil zu unterstützen.

Jeder teilnehmende Arzt erhielt ein Smartphone, mit dem er einmal pro Woche ein Foto von der jeweiligen Wunde übermittelte. Wenn die Experten des Uni-Klinikums Verbesserungsbedarf bei der Therapie sahen, teilten sie dies dem behandelnden Arzt mit.

Insgesamt konnte die Zahl der ambulanten Vorstellungen um 30 Prozent gesenkt und die Zahl der stationären Aufnahmen sogar um 40 Prozent gesenkt werden. In vielen Fällen konnte auf den systemischen Einsatz von Antibiotika verzichtet werden, zudem konnte die Amputation eines Fußes verhindert werden.

Am Projekt nahmen 145 Patienten teil.


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