Kurz erklärt!

Retardierung oder veränderte Wirkstofffreisetzung?

Sind Sie im Praxisalltag auch schon über die Begriffe Retardierung oder veränderte Wirkstofffreisetzung gestolpert? Würden Sie gerne wissen, was dahintersteckt? Gerne teilen wir mit Ihnen die wichtigsten Fakten.

Lesedauer: 2 min
  

Warum gibt es Arzneimittel, deren Freisetzung retardiert ist?


Aus einer retardierten Darreichungsform wird der Wirkstoff verzögert abgegeben. Dadurch kann die Wirkung verlängert und gleichzeitig starke Wirkspitzen vermieden werden. Durch die längere Wirkdauer kann die Einnahmefrequenz reduziert werden.

Das kann von Vorteil sein, wenn:

  • der Wirkstoff nur eine kurze Wirkdauer hat
  • hohe Wirkspitzen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen können
  • das Vergessen der Einnahme verhindert werden soll

Grafisch lässt sich der Unterschied einer retardierten versus einer schnell freisetzenden Darreichungsform vereinfacht darstellen:

 

Die schnelle (normale) Freisetzung führt rasch zu einem steilen Anstieg und ebenso schnellen Abflachen der Plasmakonzentrationskurve.

Eine retardierte Freisetzung hingegen lässt die Plasmakonzentration des Wirkstoffes zeitlich verzögert ansteigen; die maximale Plasmakonzentration wird im Vergleich zur schnellen Freisetzung später und nicht im gleichen Maße erreicht; die Kurve ist flacher.


Praktisches Beispiel: Metformin Film- und Retardtabletten

Eine schnell freisetzende Filmtablette mit dem Wirkstoff Metformin erreicht die maximale Plasmakonzentration (cmax) nach ca. 2,5 Stunden (tmax=2,5 h). Die relativ kurze Wirkdauer von Metformin bedingt die 2- bis 3-mal tägliche Einnahme.

Eine Metformin Retardtablette erreicht erst nach 6,5-7 Stunden (tmax=6,5-7 h) die maximale Plasmakonzentration (cmax); die Einnahme kann deshalb bei gleicher Wirksamkeit¹ auf einmal täglich reduziert werden.

Die einmalige Einnahme kann nicht nur die Adhärenz² erhöhen; in einer Studie wurde nachgewiesen, dass die gastrointestinale Verträglichkeit³ des Wirkstoffes Metformin durch die Retardierung verbessert werden kann.


Wann ist eine Retardierung nicht sinnvoll?


Es gibt Indikationen und Wirkstoffe, die eine Retardierung ausschließen; zu nennen sind hier zum Beispiel Antibiotika, für deren Wirkung ein hoher Plasmaspiegel erforderlich und erwünscht ist. Auch im Falle einer langen Halbwertszeit und damit verbundenen langen Wirkdauer eines Wirkstoffes bietet sich eine retardierte Darreichungsform nicht an.


Retardierung und Teilbarkeit


Es gibt retardierte Darreichungsformen, die teilbar sind. Ob eine Retardtablette teilbar ist, sollte immer sorgfältig geprüft werden, da das Risiko des ‚Dose-Dumping‘ (ungewollte, schnelle Freisetzung des Wirkstoffes) besteht. Im Zweifel kann zu dieser Frage immer der Apotheker oder die Apothekerin beraten.


Eine besondere Form der Retardtablette: Tablette mit veränderter Wirkstofffreisetzung


Die eher komplexe Bezeichnung Tablette mit veränderter Wirkstofffreisetzung wird wie alle Bezeichnungen pharmazeutischer Darreichungsformen von Behördenseite vorgegeben. Doch was genau ist eine Tablette mit veränderter Wirkstofffreisetzung?

  • Werden in einer Tablette mehrere Wirkstoffe verarbeitet, von denen aber nur einer in seiner Freisetzung verändert wurde, spricht man von einer Tablette mit veränderter Wirkstofffreisetzung. 
  • Wird die Freisetzung eines Wirkstoffes über mehr als eine technologische Maßnahme beeinflusst, spricht man ebenfalls von veränderter Wirkstofffreisetzung. Ein Beispiel dafür können retardierte und magensaftresistenten Pellets in einer Hartkapsel sein.  

Abschließend ist zu sagen, dass retardierte Darreichungsformen für Patientinnen und Patienten Vorteile bieten können was Verträglichkeit, Vereinfachung in der Anwendung und Compliance betrifft. Wenn nur ein Wirkstoff enthalten ist mit einer schnell freisetzenden Initialdosis und einer retardierten Erhaltungsdosis.



Quellen:
1 Serge Jabbour MD & Barry Ziring MD (2011) Advantages of Extended-Release Metformin in Patients with Type
2 Diabetes Mellitus, Postgraduate Medicine, 123:1,15-23. 2 Donelly (2009) Adherence in patients transferred from immediate release metformin to a sustained release formulation: a population-based study, Diabetes, Obesity and Metabolism, 11, 2009, 338–342.
3 Shamsa Ali & Vivian Fonseca (2012) Overview of metformin: special focus on metformin extended release, Expert Opinion on Pharmacotherapy, 13:12,
1797-1805.
  


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