NEUROLOGIE
Therapiesicherheit: Diese Faktoren können Sie beeinflussen
Die hohen Anforderungen an die Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln wurden bereits 1976 im Arzneimittelgesetz verankert. Darüber hinaus ist auch die Therapiesicherheit für den Erfolg einer Therapie entscheidend. Welche Faktoren sind dafür ausschlaggebend? Was erhöht die Therapietreue? Welche Rolle spielen Generika? Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema Therapiesicherheit finden Sie in diesem Artikel.
Lesedauer: 3 min

Therapien, die wirken: Der Erfolg einer Therapie hängt von verschiedenen Faktoren ab, die unter dem Begriff „Therapiesicherheit“ zusammengefasst werden. Der Begriff beschreibt nicht nur die Sicherheit in Bezug auf Qualität und Verträglichkeit, sondern auch die Sicherheit im Hinblick auf den Erfolg der Therapie.
Drei Eckpfeiler der Therapiesicherheit
Drei Eckpfeiler der Therapiesicherheit
- Wirkstoffe und Präparate
Die Auswahl der Arzneimittel, einschließlich der Darreichungsform, beeinflusst den Erfolg einer Therapie. - Adhärenz der Patienten
Ebenfalls großen Einfluss auf den Erfolg und die Sicherheit der Therapie hat der Patient selbst – durch das Einhalten der gemeinsam vereinbarten Therapieziele zwischen Patient und Behandler. - Individuelle Parameter
Alter, Geschlecht, allgemeiner Gesundheitszustand und weitere einzunehmende Präparate können die Sicherheit einer Therapie beeinflussen.
Die Therapietreue des Patienten trägt einen wesentlichen Teil zur Therapiesicherheit bei, weshalb sich dieser Artikel insbesondere auf die Aspekte nach Diagnosestellung konzentriert. Ein Beispiel: Allein die mangelnde Adhärenz bei der Einnahme von Arzneimitteln ist ursächlich für 13 % aller Krankheitskosten in Deutschland1.
Therapiesicherheit: Keine Frage der Definition
Therapiesicherheit beschreibt nicht nur die Sicherheit des Medikaments, sondern bezieht sich auf den gesamten Medikationsprozess2. Dabei stehen die Wirksamkeit des Arzneimittels, die Verträglichkeit im Sinne möglicher Neben- und Wechselwirkungen sowie die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten im Vordergrund. Wie eingangs erwähnt spielt auch die Adhärenz eine wichtige Rolle für den Therapieerfolg. Im Hinblick auf die Therapiesicherheit sind daher – insbesondere bei der Umstellung auf Generika – verschiedene Faktoren zu berücksichtigen.

Arzneimittelsicherheit und -wirksamkeit
Neben der Wirksamkeit von Arzneimitteln sind mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen von zentraler Bedeutung. Im Hinblick auf die Verträglichkeit und Wirksamkeit von Generika ist insbesondere die Bioäquivalenz zu beachten: Ein Generikum gilt als bioäquivalent, wenn es den gleichen Wirkstoff in gleicher Menge und zeitlichem Verlauf im Körper freisetzt wie das Referenzpräparat3. Ist ein Generikum bioäquivalent zum Referenzpräparat, gilt das Präparat auch als therapeutisch äquivalent4.
Bei der Bioäquivalenz werden im Wesentlichen zwei Parameter betrachtet: AUC und Cmax:
- AUC: Ausmaß der Wirkstoffaufnahme
- Cmax: Maximale Wirkstoffkonzentration im Blut
Zur Beurteilung der Bioäquivalenz werden die Quotienten von AUC und Cmax des generischen Präparates und des Referenzpräparates verglichen. Bioäquivalenz ist dann gegeben, wenn die Bioverfügbarkeit innerhalb eines 90-prozentigen Konfidenzintervalls 80 % bis 125 % entspricht.3 In der Regel werden die erlaubten Grenzen von 80 % bis 125 % nicht ausgeschöpft und die Übereinstimmung der mittleren Bioverfügbarkeit zwischen Generikum und Referenzarzneimittel ist wesentlich größer. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist davon auszugehen, dass das generische Arzneimittel in Wirksamkeit und Unbedenklichkeit dem bereits zugelassenen Arzneimittel (Referenzpräparat) entspricht.3
Substitutionsausschlussliste als klare Handlungsanweisung
Über die Sicherstellung der Bioäquivalenz hinaus gibt es weitere Maßnahmen zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit. So legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mithilfe der Substitutionsausschlussliste fest, welche Wirkstoffe generell nicht ausgetauscht werden dürfen. Diese Arzneimittel sind damit auch von der Austauschpflicht durch Rabattverträge ausgenommen. Die Substitutionsausschlussliste stellt sicher, dass Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite nicht durch wirkstoffgleiche Arzneimittel ersetzt werden können – und sorgt somit für klare Handlungsrichtlinien. Doch in welchen Fällen wird ein Arzneimittel in diese Liste aufgenommen?
- Das Arzneimittel hat eine besonders geringe therapeutische Breite
- Bei der Substitution treten nicht nur patientenindividuell relevante klinische Beeinträchtigungen auf
- Eine Substitution durch ein anderes wirkstoffgleiches Arzneimittel ist nicht ohne ärztliche Kontrolle möglich5
So wird auch bei kritischen Arzneimitteln die Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie gewährleistet.
Wie kann die Therapietreue erhöht werden?
Viele Faktoren, welche die Therapietreue beeinflussen können, sind mentaler Natur. Am Beispiel zur Non-Adhärenz von Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose (MS)6 werden die vielfältigen Gründe deutlich: Diese reichen von demografischen Faktoren, kognitiven Beeinträchtigungen und Depressionen, über eine wahrgenommene mangelnde Wirksamkeit bis zur Vergesslichkeit und Angst vor einer Injektion. Die allgemeine Non-Adhärenz liegt zwischen 30 – 50 %.7
Weitere Quellen nennen als Einflussfaktoren auf die Therapietreue die Komplexität der Therapie, die soziale Unterstützung und das Vertrauen in die Therapie sowie das Vertrauen in den behandelnden Arzt und das medizinische Personal.8
Daraus ergeben sich drei Punkte, welche für die Adhärenz besonders wichtig sind. Auf diese wird im Folgenden detaillierter eingegangen:
- Nutzen und Ziel der Therapie verstehen
- offene Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten
- nachvollziehbarer Therapieplan

Verständnis für Ziel und Nutzen der Therapie schaffen
Grundsätzlich ist wichtig, die Patientinnen und Patienten über das Krankheitsbild, die Therapie und die zu erwartende Wirkung aufzuklären. Durch die explizite Aufklärung über die Erkrankung wird die Bedeutung einer konsequenten Therapie verdeutlicht. Die gezielte Aufklärung über Nebenwirkungen und Handlungsempfehlungen bei deren Auftreten kann zudem helfen, den Patientinnen und Patienten das weitere Vorgehen im Vorfeld zu erläutern und die Therapietreue nicht zu gefährden. Darüber hinaus haben Patientinnen und Patienten – insbesondere bei chronisch verlaufenden Erkrankungen – einen hohen Leidensdruck. Die Aussicht, dass die empfohlene Therapie einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat, ist wesentlich für das Erreichen einer entsprechenden Therapietreue.
Weiterhin kann es hilfreich sein, dem Patienten andere Behandlungsansätze zu erläutern und ihm zu erklären, warum der für ihn gewählte Ansatz in seiner Situation angemessen ist. Wenn mehrere Therapieansätze in Frage kommen, kann gemeinsam mit dem Patienten ein passender Ansatz gefunden werden.
Offene und vertrauensvolle Kommunikation
Durch eine offene und vertrauensvolle Kommunikation kann geklärt werden, welche Überzeugungen und Bedürfnisse die Patientinnen und Patienten in Bezug auf die Therapie haben und ob Bedenken oder Einwände gegen die vorgeschlagene Therapie bestehen: Gibt es Aspekte im Alltag der Patientinnen und Patienten, die die Integration des Therapieplans erschweren könnten? Könnte eine andere Darreichungsform die Adhärenz verbessern? Möglicherweise hat die Patientin oder der Patient auch Bedenken gegen den Wirkstoff oder die Therapie im Allgemeinen.
Weisen Sie Ihre Patientinnen und Patienten zudem darauf hin, sich bei Problemen oder Fragen im Therapieverlauf – beispielsweise beim Auftreten von Nebenwirkungen – an Sie zu wenden, um frühzeitig auf mögliche Gründe für eine Non-Adhärenz einwirken zu können.
Verständlicher Therapieplan
Im Hinblick auf den Therapieplan ist eine Kombination der beiden oben genannten Punkte wichtig: Die Formulierung konkreter Handlungspläne und Therapieziele gemeinsam mit dem Betroffenen hilft bei der Umsetzung des Therapieplans. Durch die bewusste Entscheidung der Patientinnen und Patienten für die Therapiemaßnahmen sowie die Besprechung möglicher Bedenken kann die Mitverantwortung der Patientinnen und Patienten für die Behandlung erhöht werden.
Faktor Patient
Neben diesen Faktoren, die Sie als Ärztin oder Arzt aktiv beeinflussen können, gibt es weitere Unterstützungsmöglichkeiten, die zur Therapietreue beitragen können.
- Erstellen eines Medikationsplans, der regelmäßig (idealerweise täglich) eingesehen wird. Kalendereinträge, Kalenderapps oder Gesundheitsapps können hierbei den Patienten erinnern und unterstützen.
- Einbeziehen des sozialen Umfelds: Familie, Verwandte und Freunde, können vor allem zu Beginn der Therapie bei der Medikamenteneinnahme helfen. Insbesondere bei älteren Patienten kann die Einbeziehung des Pflegepersonals unterstützend und wichtig sein.
Generika in der MS-Therapie als bioäquivalente Behandlungsoptionen
Mit der Markteinführung oraler Generika zur Behandlung der Multiplen Sklerose eröffnen sich derzeit neue, wirtschaftlich effiziente Behandlungsansätze im Bereich MS. Insbesondere für den Wirkstoff Teriflunomid, etabliert zur Behandlung der schubförmig-remittierenden Multiplen Sklerose, stehen für Behandler generische Alternativen zum Erstanbieter Aubagio® zur Verfügung9.
Zur Unterstützung der Patientinnen und Patienten bei der Umstellung können die oben genannten Punkte zur Adhärenz zuträglich sein, das Verständnis für die Wirkweise von Generika verdeutlichen und mögliche Bedenken im Vorfeld ausräumen.
Fazit: Das Zusammenspiel von Arzneimittelsicherheit und Adhärenz
Im Hinblick auf die Therapiesicherheit sind vielfältige Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören die Arzneimittelsicherheit, die Patientenadhärenz und die Berücksichtigung individueller Parameter wie Alter oder Umfeld des Patienten. Bei Generika gewährleistet die Bioäquivalenzstudie im Rahmen der Zulassung, dass das Generikum in Wirksamkeit und Sicherheit dem bereits zugelassenen Referenzarzneimittel entspricht. Darüber hinaus tragen eine offene und vertrauensvolle Kommunikation sowie die gemeinsame Vereinbarung von Behandlungszielen und -plänen sowohl zu einer erfolgreichen Therapie als auch zu einem reibungslosen und effizienten Ablauf im Praxisalltag bei.
Quellen:
1. portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta206_bericht_de.pdf, abgerufen am 01.11.23
2. www.kbv.de/media/sp/PraxisWissen_Mehr_Sicherheit_bei_der_Arzneimitteltherapie.pdf, abgerufen am 01.11.23
3. www.progenerika.de/news/glossar/bioaequivalenz/, abgerufen am 01.11.23
4. www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/note-guidance-investigation-bioavailability-bioequivalence_en.pdf, abgerufen am 01.11.23
5. www.g-ba.de/themen/arzneimittel/arzneimittel-richtlinie-anlagen/aut-idem/, abgerufen am 01.11.23
6. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8872308/#:~:text=Non%2Dadherence%20to%20DMDs%20is,in%20patients%20with%20multiple%20sclerosis., abgerufen am 01.11.23
7. archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2019/0512/pdf/daa.pdf, abgerufen am 01.11.23
8. www.pharmazeutische-zeitung.de/wie-apotheker-die-adhaerenz-foerdern-123366/, abgerufen am 01.11.23
9. www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/aubagio-epar-product-information_de.pdf, abgerufen am 01.11.23